Samstag, 27. August 2011

London Unruhen - Sonntag, 7. August 2011

2011-08-20-tottenham-08

• 55 Personen nach der Gewaltausbruch in Tottenham festgenommen
• Krawalle breiteten sich nach Enfield und Brixton aus
• 26 Polizisten verletzt, Met warnt vor sozialen Spekulationen in den Medien
• Familie Duggan verurteilt die Gewalt

09.15: Guten Morgen und herzlich willkommen bei Live-Reaktion des Guardian auf die Unruhen letzte Nacht in Tottenham.

Zwei Polizeiautos, ein Bus und mehrere Geschäfte wurden angegriffen und im Norden Londons in Brand gesetzt, als Gewalt und Plünderungen ausbrachen, nach einem Protest, in dem „Gerechtigkeit" nach den tödlichen Schüssen auf Mark Duggan gefordert wurde.

Acht Polizisten wurden während der Gewalt verletzt, die bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags dauerte.

Duggan, 29, war am Donnerstag getötet worden, nachdem die Polizei einen Minivan, in dem er unterwegs war, gestoppt hatte. Die IPCC untersucht den Vorfall, bei dem auch ein Polizist angeschossen wurde - die Kugel blieb angeblich in seinem Funkgerät stecken, er hatte leichte Verletzungen.

Mehrere Kollegen haben von der Szene der Gewalt in Tottenham berichtet, hier ist der Hauptbericht des Guardian:

Polizisten zu Pferd und andere in Kampfausrüstung stießen mit Hunderten von Randalierern, die mit selbstgebastelten Geschossen ausgerüstet waren, im Zentrum von Tottenham zusammen, nachdem Mark Duggan, 29, Vater von vier Kindern, am Donnerstag getötet worden war.

Am Sonntagmorgen sagte die Polizei, es gebe noch vereinzelt Vorfälle in Tottenham mit „einer kleinen Anzahl von Menschen", und Polizisten seien damit noch beschäftigt. Acht Polizisten wurden nach der Gewalt während der Nacht im Krankenhaus behandelt, einer mit Kopfverletzungen.

Die Londoner Feuerwehr sagte, alle Feuer seien jetzt „unter Kontrolle" nach den Problemen, die im Lauf der Nacht von der Tottenham High Road auf das Tottenham Hale Einkaufszentrum übergesprungen war. Dabei wurde ein Lidl-Supermarkt in Brand gesteckt.

Am Samstagabend durchbrachen Randalierer die Linien der Polizei und versuchten, Tottenhams Polizeistation zu stürmen, bewarfen die Beamten mit Steinen, Flaschen und Eiern. Als ein Polizeihubschrauber die Tottenham High Road überflog, legten Jugendliche in Masken und Hauben brennbares Material zu zwei ausgebrannten Polizeiwagen, darunter ein Dokumentenbündel und eine Markise, die sie von einem der Läden herabgerissen hatten. Einige versuchten, die Randalierer zum Weggehen zu bewegen, ein junger Mann schrie: „Geht jetzt nach Hause, Leute!"

Aber andere schleuderten benzingefüllte Flaschen auf die Polizeilinien. Viele rückten mit behelfsmäßigen Waffen wie Metallstangen und Baseballschlägern zur Linie der Polizei vor. Aber andere schienen mehr Interesse an Plünderungen zu haben. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde ein Safe aus einem Wettbüro herausgeschleppt, während andere mit einem Fernseher und einer E-Gitarre zu sehen waren. Mehrere kamen mit Einkaufswagen mit ihrem Diebsgut daher.

„Das war nicht, wie das davor", sagte ein Frau, die nahe an einem der beiden ausgebrannten Polizeiautos stand. „Es hat als friedliche Demonstration begonnen. Die Polizei hat hier letzte Woche einen Mann erschossen, und sie hat über das, was passiert ist, gelogen. Sie sagten, er hat eine Waffe gezogen. Aber so etwas würde der bei bewaffneten Polizisten nicht getan haben. Sie haben ihn so zugerichtet, dass seine Mutter ihn nicht erkennen konnte."

Ein Metropolitan Police-Sprecher sagte, der Ärger habe begonnen, als um 20.30 Uhr Feuerwerkskörper auf geparkte Streifenwagen geworfen wurden. Er sagte, einer wurde, als er schon lodernd brannte, in die Mitte der Tottenham High Road geschoben. Keiner der beiden Polizisten, die die Autos gefahren hatten, wurde verletzt.

Während sich die Gewalt ausbreitete, war ein Doppeldecker-Bus abgestellt worden. Augenzeugen berichteten, das Fahrzeug geriet in Flammen und explodierte, nachdem Angreifer selbstgebastelte Bomben durch die Fenster geworfen hatten. In der Nähe waren auch Geschäfte in Brand gesetzt worden.

Warst Sie letzte Nachr in Tottenham? Kontaktieren Sie mich auf Twitter @ AdamGabbatt oder teilen Sie Ihre Geschichten weiter unten mit.

09.24: Das Video von MriRudi auf YouTube zeigt ein Gebäude in Flammen. „Offensichtlich ist dies ein Juwelier," hört man jemand sagen. Einen Alarm kann im Hintergrund hören.

09.31: Paul Lewis hat während der Nacht berichtet, dass sich „anhaltende Plünderungen von Tottenham in andere nahe gelegene Gebiete Haringeys verbreitet haben".

Um Mitternacht war es der Polizei gelungen, einen 200 Meter langen Abschnitt der Tottenham High Road, dem Schauplatz einiger der schlimmsten Ausschreitungen am Samstagabend, abzusperren.

Aber als Feuerwehrfahrzeuge auf die Straße fuhren und begannen, die brennenden Autos und Gebäude zu löschen, verteilten sich die Randalierer in den Seitenstraßen im Norden und Osten. Im Norden wurde an der Tottenham Hale Aldi geplündert und in Brand gesetzt. Das passierte auch mit ein nahe gelegenes Teppichgeschäft, es wurde ein Raub riesiger Flammen.

Plünderer waren mit Autos und Einkaufswagen zum Abtransport gestohlener Waren aufgetaucht. In den umliegenden Straßen versammelten sich große Gruppen Jugendlicher mit Stöcken, Flaschen und Hämmern.

Einige trugen Sturmhauben und verhinderten, dass Autos auf den Straßen fuhren, wo in Gebäude eingebrochen worden war. Andere benutzten großen Mülltonnen, um brennende Barrikaden auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu errichten.

Doch einige der dramatischsten Plünderungen haben weiter westlich stattgefunden, in Wood Green, und setzten sich dort bis in die frühen Morgenstunden fort.

09.42: Einige offizielle Reaktionen von Downing Street: Die Unruhen in Tottenham letzte Nacht sind absolut inakzeptabel.

Es gibt keine Rechtfertigung für den Angriff auf die Polizei und die Bewohner oder für die Beschädigung von Eigentum.

Es gibt nun eine polizeiliche Untersuchung der Ausschreitungen, und wir sollten diesen Prozess abwarten.

09.48: Sanitäter behandelten insgesamt 11 Personen, von denen zehn in ein Krankenhaus gebracht wurden, nach Aussage des Londoner Ambulance Service.

Eine Sprecherin fügte hinzu, dass zwei der acht verletzten Polizisten vom Ambulanzteam behandelt werden mussten, aber es ist noch nicht klar, ob die anderen Polizisten auch behandelt wurden.

09.58: In den Kommentaren von vic15, die gegenüber der Tottenham-Polizeistation wohnt, hat es einen detaillierten Bericht über ihre Erfahrungen mit den Unruhen gegeben.

"Da ging es nicht nur um das Verhalten der Polizei, sondern um sinnlose Gewalt und Aggression von unzufriedenen und entfremdeten Jugendlichen", schreibt vic15.

„Ich lebe in Tottenham - eigentlich wohne ich direkt gegenüber der Hauptwache. Ich wusste nicht, dass es dort um eine Demonstration ging und hörte ein wenig Lärm, aber ehrlich gesagt, es ist eine ziemlich laute Umgebung. Deshalb habe ich mir keine Gedanken gemacht. Dann - etwa um 8, halb 9 am Abend - fing es an, ziemlich erschreckend zu werden.

Wir sahen die Polizei eine Linie bilden und [die Menschen] auf der Straße warfen Dinge auf die Polizei. Die sahen wie Steine und Felsbrocken aus. Daraus sind später lodernde Mülltonnen geworden und etwas, das wie Teile einer Geschäftseinrichtung ausgesehen hat. (Mein Partner behauptet, die haben einen Kühlschrank geworfen oder Teile davon.)

Dann sahen wir die Autos in Flammen aufgehen, die waren ganz in unserer Nähe. Da merkte ich, dass das jetzt wirklich etwas außer Kontrolle geraten war, und die Polizei zog sich auf die Seite zurück, wo wir sind, und immer mehr Polizisten sind aufgetaucht.

Wir haben den Bus und die Gebäude um uns herum in Flammen aufgehen gesehen - wie in einem Inferno. Das war wahrscheinlich das, was am meisten Angst gemacht hat. Die Menschen unterhalb der Wohnung beschimpften die Polizei. Ich kann mich nicht an den Wortlaut erinnern, aber das war sehr beleidigend und ablehnend.

Wir waren besorgt, weil die Brände auf der High Street noch nicht in Angriff genommen waren, und das erzeugte wirklich Bauchweh.

Wir sahen nicht viel von den Plünderungen mit eigenen Augen, weil wir natürlich die Wohnung nicht verlassen wollten, aber einmal rief ich eine Freundin an, weil ich Angst hatte, und fragte sie, ob sie nicht vorbeikommen wolle. Ich wollte raus aus der Gegend. Sie war vernünftiger als ich und sagte, das Beste, was wir jetzt tun könnten, ist doch, den Ort nicht zu verlassen, an dem wir gerade waren. Zumindest waren wir von der Polizei umstellt. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das sicher ist, wenn die Feuer so durch die Straßen wüten.

Wir hörten viele Hunde bellen, und wir waren nicht sicher, ob das Polizeihunde sind oder die Hunde der Randalierer, weil der student Geschrei, das zu hören war, zu aggressiv und wütend gewesen ist.

Dann sind die Feuerwehrautos durchgekommen und die Pferde und die gepanzerten schwarzen Polizeivans.

Es schien sich in unserer Nähe zu beruhigen, aber nur zeitweise. Deshalb habe ich letzte Nacht nicht geschlafen.

Letzte Nacht war ich so wütend auf die Leute, die auf diese Weise meinen Bezirk zerstören wollten. Ich lebe in Tottenham, und ich habe die spöttisch-höhnische Weise satt, wie die Leute uns betrachten. Einige von den twitter-„Witzen" in der letzten Nacht waren wirklich sehr, sehr traurig und brachen mir fast das Herz. Einige Leute haben gedacht, dies sei ein großer Witz, oder dass Tottenham nicht "wert ist, gerettet“ zu werden.

Es gibt eine Menge sehr guter Leute hier. Die Plünderungen waren kein Teil der Demonstration. Die Menschen sind aus ganz London hierhergekommen, um „mitzumachen", und der Stadtteil, in dem ich wohne, ist so ruiniert worden.

Nun, hinter der Wut bin ich traurig, verzweifelt traurig.

Und das nicht nur wegen der Vorgangsweise der Polizei, sondern auch wegen der sinnlosen Gewalt und Aggression von diesen unzufriedenen und entfremdeten Jugendlichen, und nicht nur in Tottenham.

Inzwischen ist den Leuten, die ich kenne, den Geschäften, die ich besuche, meinen Nachbarn ihr Leben zerrissen worden, und die Bewohner, die von Armut und Arbeitslosigkeit geplagt sind, werden weiterhin etikettiert und benachteiligt bleiben.

Ich glaube nicht, dass die Leute denken, dass Tottenham ein hoffnungsloser Platz ist. Es ist meine Heimat und mein Viertel, und ich lebe gern hier, aber ich verachte wirklich und wahrhaftig die Leute, die es zerstört haben.“

10.35: Google Map zeigt Szenen von einigen Bränden und Plünderungen in den frühen Morgenstunden. Klicken Sie auf die Feuersymbole, um weitere Informationen zu bekommen.

Hier Tottenham riots 6 August 2011 auf einer größeren Karte

Wir möchten die Karte den ganzen Tag lang ergänzen, um versuchen, ein vollständigeres Bild von dem zu bekommen, was passiert und wo. Wenn Sie Zeuge von etwas Hinzufügenswertem waren, nehmen Sie Kontakt mit mir auf über Twitter@AdamGabbatt oder schicken Sie ein E-Mail an adam.gabbatt@guardian.co.uk.

10.46: Wir warten auf eine Erklärung von Commander Adrian Hanstock von der Londoner Polizei. Bring es, wenns passiert.

10.50: Wie die Karte zeigt, waren Gewalt und Plünderungen nicht auf Tottenham beschränkt, sondern haben sich nach Wood Green, etwa zwei Meilen westlich, ausgebreitet.

Paul Lewis berichtete von scene4am:

Es gab noch keine Präsenz der Polizei in Wood Green High Street um 4 Uhr morgens, auch nicht, nachdem Dutzende von Läden zerstört und geplündert wurden. Mehrere Alarme waren ausgelöst worden.

Rund 100 Jugendliche liefen auf der High Street herum, als Ziele Game-Shops, Elektroläden und Filialen von Ketten wie H & M.

Glasfenster wurden zerschlagen, und die Plünderer, meist junge Männer mit maskierten Gesichtern, drängten hinein.

Sie kamen mit Händen voller Diebesgut zurück. „Ich habe jede Menge G-Star", sagte ein Teenager, die aus einem Bekleidungsgeschäft hinausging. Andere umklammerten Einkaufstüten voller Waren.

Drei Jugendliche liefen die Straße hinunter, mit Koffern voller gestohlener Kleiderstücke. Etwa zehn junge Männer standen vor einem rauchenden Carphone Warehouse, zerschlugen die Fenster. Der Diebstahl war lässig und unverschämt, die Plünderern schauten durch die zerbrochenen Schaufenster, ob noch Wertgegenstände zurückgeblieben waren.

Es waren schockierende Szenen in den Seitenstraßen der Vorstadt, wo die Vorgärten der Wohnhäuser benützt wurden, hektisch das Diebsgut zu sortieren und zu tauschen.

Ein Teenager, der wie 14 aussah, fuhr in einem gestohlenen Minivan in Schlangenlinien in einer Seitenstraße herum. Auf der angrenzenden Straße beklagte sich ein Mann, der gerade aus seinem Haus herausgekommen war und sein Auto ausgebrannt vorgefunden hatte, bei anderen jungen Männern, die gerade mit Kleidungsstücken wegrannten.

Passanten, darunter auch Menschen, in die frühen Morgenstunden heimkehren wollten, waren fassungslos über das gesetzlose Chaos auf den Straßen.

Da niemand von der Polizei zu sehen war, weigerten sich die Busfahren, Passagiere über Wood Green High Street mitzunehmen, und der Verkehr war zum Erliegen gekommen.

10.57: Hier sind auf Storify Hosting*) ein paar Bilder von den Schäden. Bitte wenden Sie sich an mich, wenn Sie Fotos von heute morgen entdeckt haben.

*) http://www.onlinejournalismus.de/2011/05/01/storify-im-praxistest/

Freitag, 26. August 2011

Tottenham-Unruhen: ein friedlicher Protest, dann brach plötzlich die Hölle los

2011-08-20-tottenham-18

Feuer wütet am Samstagabend in einem Gebäude in Tottenham im Norden Londons, während der schlimmsten Unruhen seit Brixton. Foto: Lewis Whyld / PA

Paul Lewis, guardian.co.uk, Sonntag 7. August 201, 20.52 Uhr

Gefragt, ob die Londoner Polizei langsam auf die Tottenham Unruhen reagiert hätte, antwortete Kommandant Adrian Hanstock: „Nein, überhaupt nicht. Der Bericht, der uns von draußen am Sonntagmorgen erreicht hat, korrelierte nicht mit Ereignissen, die sich Stunden davor mehrere Meilen entfernt im Norden Londons zugetragen hatten.

Was als eine Versammlung von rund 200 Demonstranten begonnen hat, die Aufklärung über den Tod von Mark Duggan forderten, der von der Polizei am Donnerstag erschossen wurde, gipfelte 12 Stunden später in einem großen Aufruhr mit dreisten Plünderungen, die sich auf die Nordlondoner Vorstädte verteilten.

Um 5 Uhr kamen beim Tottenham Hale-Einkaufszentrum noch immer Jugendliche heraus aus den Geschäften in die Morgendämmerung, die Taschen und Einkaufswagen vollgestopft mit gestohlenen Waren, und liefen in die Seitenstraßen.

Einige Polizisten hatten eine Handvoll Plünderer festgenommen, andere hatten ihre Handys aus und machten Fotos von einem ausgebrannten Auto.

Genau zur gleichen Zeit ereigneten sich auch Plünderungen fast zwei Meilen entfernt, auf der Wood Green High Street, wo etwa 100 Menschen stundenlang Autos in Brand steckten und in Geschäfte auf der High Street einbrachen. Einige füllten sogar Koffer.

Doch für die Polizei - die behauptet hatte, die Krawalle sechs Stunden vorher eingedämmt zu haben - war da niemand in Sicht.

Die Polizei, in der Sonntagnacht eingesetzt wurde, sagte, es habe 55 Festnahmen gegeben und 26 Polizisten seien verletzt worden. Doch die Hauptsache der Unruhen am Wochenende war nicht die Zahl der Verletzten, sondern das Ausmaß der Zerstörung von Eigentum.

Über den gesamten Stadtteil verteilt, waren Geschäften, Bars, Banken und sogar Wohnhäuser geplündert und angezündet worden.

Feuerwehrleute versuchten, einen Brand in einem Aldi-Markt und einen weiteren Brand in einem Gebäude mit einem Teppichgeschäft nur wenige hundert Meter entfernt zu löschen. Beides waren große Brände, die - abgesehen von den Ausschreitungen – von sich aus schon besondere Ereignisse in den Nachrichten gewesen wären.

Das waren – nach allem, was man hört - die schlimmsten Unruhen dieser Art seit den Brixton- Unruhen im Jahr 1995. Schockierte Bewohner standen an diesem Morgen auf, sahen die verbrannten, mit Schutt übersäten Straßen und stellten zwei Fragen. Warum hatte dieser Aufstand begonnen? Und wie konnte er sich so ausbreiten?

Die Menge, die sich vor Tottenhams Polizeistation um 17.30 Uhr versammelt hatte, war, wie berichtet wird, friedlich. Die Demonstranten waren Leute aus der Umgebung, Bezirkspolitiker und einige von Duggans Verwandten, darunter seine Verlobte, Semone Wilson.

Die Demonstranten beklagten, dass die Polizei und die unabhängige Beschwerdestelle der Polizei (IPCC), die den Tod Duggans untersucht, mit ihnen nicht kommunizieren wollte.

Wilson, sagte man, sei gezwungen worden, die IPCC anzurufen, um die Leiche zu identifizieren. Andere Verwandte hatten zum ersten Mal von Duggans Tod erfahren, als sie sein Foto in den Nachrichten sahen.

Aufgrund der anscheinend eingeschränkten Kommunikation füllte sich das Vakuum mit Gerüchten.

Es gab Geschichten über Duggan, dass er mit Handschellen gefesselt erschossen wurde. Andere berichteten, er habe 15 Minuten, bevor er getötet wurde, ein SMS an Freunde gesendet, in dem er schrieb, er stecke in einer Klemme, sei aber ok.

Es gab Sprechchöre: „Wir wollen Antworten“, aber die Teilnehmer sagten, der Protest sei gutmütig gewesen. Die Demonstration, von der die Organisatoren geglaubt hatten, sie werde nicht länger als eine Stunde dauern, wurde zunächst von Frauen angeführt, die Wilson begleiteten, die drei Kinder vom 29-jährigen Duggan hat.

Was in den nächsten vier Stunden passiert ist, wird kontrovers diskutiert. Doch es ist klar, dass die Spannungen schrittweise zunahmen, als die Polizei nur ein wenig Interesse zeigte, mit den Demonstranten zu sprechen.

Einige Teilnehmer erzählten, sie hätten eine jüngere, aggressive Menschenmenge in der Abenddämmerung herankommen sehen, einige trugen Waffen. „Diese Leute waren vorbereitet“, sagte Bill Dow, ein Zuschauer. „Sie hatten Feuerwerkskörper und Benzinkanister mitgebracht.“

Die Organisatoren des Protests verneinten dies und sagten, die Polizei habe verabsäumt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Schließlich sei ein Kriminalkommissar herausgekommen und habe mit Duggans Verwandten gesprochen. Doch der, so die Organisatoren, sah ein, dass ein höherrangiger Beamter mit ihnen sprechen sollte.

Stafford Scott, ein Sozialarbeiter, sagte, die Polizei sei „absolut“ schuld daran, weil sie auf deren Forderungen nach einem Dialog nicht reagiert hatte.

„Ich sagte dem Kriminalkommissar persönlich, dass wir vor Einbruch der Dunkelheit weggehen wollten“, sagte Scott. „Wenn er uns bis nach Einbruch der Dunkelheit hier herumhängen ließe, würde das auf seine Kappe gehen. Wir konnten nicht garantieren, dass die Sache nicht außer Kontrolle geriet.“

Scott sagte, der Kriminalkommissar habe versprochen, ein höherer Beamter würde mit den Leuten sprechen.

Als niemand kam, sagten die Organisatoren, richtete sich die Wut einiger jüngerer Männer gegen zwei Polizeiautos, die in Brand gesteckt wurden.

Duggans Verwandte sollen den Ort verlassen haben, als die Unruhen begannen. Sein Bruder, Shaun Hall, distanzierte sich im Namen der Familie von den Unruhen am Samstagabend.

Er sagte, es habe einen „Domino-Effekt“ gegeben, aufgrund der offenen Fragen zum Tod seines Bruders, sagte aber, die Familie wolle die Gewalt, die im Namen des Bruders verübt werde, „überhaupt nicht tolerieren.“

Andere Anwesende sagten, der Funke für die Ausschreitungen sei ein bestimmtes Ereignis gewesen, das ein 16-jähriges Mädchen betroffen habe, die um etwa 20.30 Uhr vortrat, um die Polizei mit den Forderungen zu konfrontieren, und Antworten verlangte, aber mit Schilden und Schlagstöcken angegriffen wurde.

„Sie schlugen sie mit einem Schlagstock, und dann fing die Menge an zu schreien Lauf, lauf', und dann gab es einen Hagel von Geschossen“, sagte Anthony Johnson, 39. „Sie hat gesagt: Wir wollen Antworten, kommen Sie und sprechen Sie mit uns.“

Laurence Bailey, der in einer nahe gelegenen Kirche war, wollte gesehen haben, wie das Mädchen Flugblätter auf die Polizei warf, in denen vielleicht einen Stein gewesen sein könnte.

Bailey sagte, das Mädchen sei dann von vielleicht „15 Schilden niedergeschlagen“ worden. „Sie stürzte zu Boden. Aber sobald sie es geschafft hatte, wieder aufzustehen, wurde sie wieder geschlagen, bis sie sich von ihrem Freund weggeschleppt worden ist“, sagte er.

In gewisser Weise spielte die Wahrheit über den angeblichen Vorfall mit der 16-Jährigen keine Rolle; das Gerücht, dass die Polizei ein Mädchen angegriffen hatte, reichte als Zündfunke.

In einem YouTube-Clip, in dem man mehr als eine Stunde später brennende Polizeiautos und gewalttätige Kämpfe sieht, ist ein Randalierer zu hören, wie er andere aufstachelte: „Hast du nicht gesehen, wie die Feds sich das Mädchen vorgenommen haben? Mann, komm schon!“

Um 22 Uhr wurde ein Doppeldeckerbus in Brand gesetzt und in Geschäfte - meist örtliche Unternehmen - auf der High Road eingebrochen. Überall auf den umliegenden Plätzen und Straßen marschierten Jugendliche dreist mit gestohlenen Fernsehern, Stereoanlagen, Handys und Lebensmitteln.

Dem Aussehen nach waren die Randalierer rassisch gemischt. Die meisten waren Männer oder Burschen, einige offenbar erst 10.

Doch Familien und andere Anwohner, repräsentativ für diesen Stadtteil - Schwarze, Asiaten und Weiße, darunter auch einige chassidische Juden aus der Tottenham-Gemeinde – versammelten sich, um die Lage zu beobachten und die Polizei zu verspotten.

Einige ergriffen Defensivmaßnahmen. Die Besitzer eines türkischen Supermarkts stapelten Kisten mit Mineralwasser vor dem Laden auf, um einen Einbruch zu verhindern. Ein Gebäude mit einem Blumenladen wurde in Brand gesetzt, dort war auch das Prince of Wales-Pub.

Polizisten, einige auf dem Pferden, versuchten um Mitternacht die Kontrolle über einen 200-Meter-Abschnitt auf der High Road Landstraße zu übernehmen, damit die Feuerwehr gegen die wütenden Brände vorgehen konnte.

Die Randalierer hatten sich aber in die Seitenstraßen zurückgezogen oder waren weiter nach Norden gewandert, wo sie einen Aldi Supermarkt plünderten, bevor sie ihn in Brand steckten. Der Brand beleuchtete, zusammen mit einem Feuer, das eine Carpetright-Filiale zerstört hatte, den Himmel.

„Soll ich ehrlich sein? Fick die Polizei“, sagte Reeko Young, 24, der sich mit Freunden auf einer nahegelegenen Querstraße getroffen hatte, um Fotos von den Unruhen auf dem Handys auszutauschen.

Young sagte, er habe nicht an den Gewalttaten teilgenommen, sei aber wie viele von den Gerüchten über Duggans Tod wütend geworden.

Er zeigte eine von mehreren BlackBerry- „BB“-Nachrichten, die verbreitet wurden, die darauf hindeuteten, daß Duggan aus kürzester Entfernung in das Gesicht geschossen worden war.

Sein Freund Jermaine Smith, 24, hatte eine andere Botschaft, angeblich von einem Polizisten aus Tottenham zugespielt, der berichtete, dass die Waffe, die verwendet wurde, um Duggan zu töten, noch immer nicht gefunden worden sei.

Alle schienen sich einig, dass die Waffe, die Duggan getragen hatte und angeblich dazu verwendet hatte, um auf die Polizei zu schießen, tatsächlich schon gefunden worden war, in einer Socke verpackt.

„Die Menschen empfinden den Mord an Mark als sehr ungerecht“, sagte er. „Wir alle kennen die Polizei und die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten. Wir glauben nicht, dass ihre Geschichten darüber, wie er gestorben ist, stimmen; ich glaube es nicht, auch die Leute glauben es nicht.„

Young and Smith waren unter den Dutzenden jungen Männern und Frauen, die Zuflucht in Nebenstraßen gesucht hatten, um die Flammen auf der High Road zu beobachten. Aber in den frühen Morgenstunden eskalierten die Unruhen mit Plünderungen, die sich in alle Richtungen ausbreiteten.

Um etwa 1.30 wurden die BBC- und Sky News-Teams der High Road angegriffen. Beide Nachrichtensender zogen alle ihre Mitarbeiter zu ihrer eigenen Sicherheit aus diesem Bereich zurück.

Einige der erschütterndsten Szenen ereigneten sich, als die die Fernsehkameras verschwunden waren. Südöstlich der High Road stürmten Gruppen ins Tottenham Hale-Einkaufszentrum.

In rascher Folge zerschlugen sie auf ihrem Weg die Türen oder Fenster der Filialen von Boots, JD Sports, O2, Currys, Argos, Orange, PC World und Comet. Die meisten gingen schnurstracks zu den Regalen, während andere die Registrierkassen herausrissen oder Lagerräume heimsuchten.

Nordwestlich von der High Road errichteten Jugendliche, ausgerüstet mit militärisch anmutenden Sturmhauben und Schlagstöcken, brennende Barrikaden und griffen Autofahrer an, die sich den ausgeplünderten Geschäften näherten.

Aber es war die Ansteckung des nahe gelegenen Wood Green, was sich am surrealsten herausstellte.

Von etwa 2.30 Uhr an begannen Jugendliche in die High Street-Geschäfte einzubrechen. Ohne irgendwelche Intervention von Seiten der Polizei, und die Plünderer kontrollierten das Gebiet rund drei Stunden lang, bis die Bewohner intervenierten.

Ein Mann, der von seiner Freundin zurückgehalten wurde, protestierte gegen eine Gruppe, die in einen Lidl-Supermarkt eingebrochen war, nachdem er entdeckt hatte, dass sein Auto zu einer ausgebrannten Karre geworden war.

„Kämpf nicht, es gibt zu viele von ihnen,“ rief seine Freundin, als vier Jugendliche vorbeirannten und mit gestohlenen G-Star Jeans prahlten.

Auf der angrenzenden Straße fuhr ein junger Mann, etwa wie 14 aussehend, in Schlangenlinien auf einer Seitenstraße in einer vermutlich gestohlenen Audi hin und her.

Die meisten Aktionen geschahen allerdings auf der High Street. Gaming Läden und Handy-Filialen waren ebenso das Ziel wie Kleidergeschäfte.

In große HMV- und H & M-Filialen wurde auch eingebrochen. Die meisten Plünderer versuchten, ihre Gesichter mit Tüchern zu verhüllen, aber zu stehlen war lässig, mit den Leuten, die sich Zeit nahmen, das Vorhandene zu durchsuchen und - in einem Vorgarten – das Diebsgut auszutauschen.

Es ist vielleicht nicht überraschend, dass die Unruhen in Tottenham - eine der wirtschaftlich am meisten benachteiligten Regionen des Landes – von einer solchen Anzahl die Situation ausnützender Diebstähle begleitet wurden. Aber auch in den frühen Morgenstunden waren die Ausschreitungen war nicht ohne eine gewisse soziale Symbolik. „Mörder“, rief ein Mann, der eine Stereoanlage umklammerte, als ein Polizeiwagen um etwa 3.45 Uhr an der Lordship Lane vorbeifuhr.

In der Nähe eine Gruppe junger Männer, die aus dem Haringey und Enfield-Amtsgericht herausgekommen waren und Hämmer schwangen.

Sie hatten der Versuchung widerstanden, Geschäfte zu plündern, hatten aber sieben Fenster des Gerichtsgebäudes zertrümmert. Es ist ein Ort, den einige Randalierer vermutlich aus ihrer Vergangenheit kennen. Andere werden wahrscheinlich in naher Zukunft dorthin vorgeladen werden.

Am Sonntag um16 Uhr, fast 24 Stunden, nachdem sich Demonstranten bei Tottenhams Polizeistation versammelt hatten, hörte man noch immer einen einzelnen Alarmton im Gerichtsgebäude schrillen.

Polizei und Feuerwehr waren noch nicht bis zum Amtsgericht vorgedrungen. Oder zum angrenzenden Bewährungshilfebüro, das bereits in Brand gesteckt worden war. Jetzt dampfte es im Regen vor sich hin.

Donnerstag, 25. August 2011

Tottenham Unruhen

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Ein Feuerwehrmann versucht, die Flammen einzudämmen, als ein Gebäude während der Tottenham-Unruhen brennt. Foto: Lewis Whyld / PA

David Cameron unter denen, die Gewalt im Norden von London zu verurteilen, während die örtlichen Politiker Unruhen einen Angriff auf normale Menschen bezeichnen

Andrew Sparrow, politischer Korrespondent, guardian.co.uk, Sonntag, 7. August 2011, 20.12 Uhr

Westminster war am Sonntag weitgehend einer Meinung, als die drei großen Parteien die Teilnehmer an den Ausschreitungen und Plünderungen in Tottenham im Norden von London verurteilten.

Obwohl die Bilder von Brandstiftung und Gewalt an einige der schlimmsten städtischen Unruhen der 1980er Jahre erinnern, unternahm Labours Parlamentsteam keinen Versuch, wie sie das in der Thatcher-Jahren tat, einige Schuld der Regierung die Schuhe zu schieben.

Nach David Cameron sprachen Theresa May, die Innenministerin, und Tim Godwin, der amtierende Kommissar der Londoner Polizei, über die Unruhen, und der von seiner Ferienvilla in Italien aus, Downing Street veröffentlichte ein Statement: „Es gibt keine Rechtfertigung für die Aggression der Polizei und der Öffentlichkeit gegenüber oder für die Beschädigung von Eigentum.“ May wiederholte diese Sätze und sagte: „Solche Missachtung der öffentlichen Sicherheit und des Eigentums kann nicht toleriert werden.„ Sie würdigte auch die Polizisten, die „sich in Gefahr begeben“, um die Situation zu kontrollieren.

Labours offizielle Reaktion wurde von Shabana Mahmood abgegeben, einer Schatten –Innenministerin und Abgeordneten für Birmingham Ladywood, „Das war erschreckende und inakzeptable Gewalt, die das Leben der Menschen und deren Sicherheit gefährdet hat. Das darf nicht toleriert werden“, sagte sie. „Eine unabhängige Untersuchung über die Erschießung von Mark Duggan hat bereits letzte Woche begonnen. Leider hat eine kleine Gruppe von Menschen auf Gewalt gesetzt und in nicht hinnehmbarer Weise reagiert.“

Aber Ken Livingstone, Labours Bürgermeisterkandidat, schlug einen anderen Ton an, was darauf hindeutet, dass die Regierung eine gewisse Verantwortung für das Geschehene zu tragen hat. Es gab „wachsende soziale Verwerfungen in London“, schrieb er in einem Beitrag auf der Website LabourList. „Die wirtschaftliche Stagnation und die Kürzungen durch die Tory-Regierung führen zwangsläufig zu sozialer Spaltung.“

Zwar betont er, dass das „keine Rechtfertigung“ für die Gewalt sei. Doch er schrieb auch, es sei „pure Heuchelei“ von den Tories, die Menschen zu drängen, die Polizei zu unterstützen, wenn die Regierung die Zahl der Polizisten verringert.

Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagte: „Ich bin über diese Szenen der Gewalt und Zerstörung in Tottenham entsetzt. Die Ereignisse, die zu dieser Situation geführt haben, werden zu Recht von der IPCC untersucht. Personen und Sachen zu beschädigen wird nichts dazu beitragen, die Ermittlungen zu erleichtern - das wird die Lage nur noch schlimmer machen.“

Kit Malthouse, Johnson Stellvertreter, bestand darauf, dass die Unruhen nicht symptomatisch sei für fortschreitenden Abbruch der Beziehungen zwischen der Polizei und der Bevölkerung.

„Der Bürgermeister und ich hatten Gespräche mit den Menschen“, sagte er. „Einen Satz, den die Menschen immer wieder sagen - die Beziehungen zwischen ihnen und der Polizei hätten sich signifikant verbessert.“

David Lammy, der Labour-Abgeordnete für Tottenham, sagte, die Ereignisse seien „ein Angriff auf Tottenham, auf Menschen, normale Menschen, Geschäftsleute, Frauen, Kinder, die jetzt als Konsequenz auf den Straßen als Obdachlose stehen.

Die Abgeordnete bestand darauf, dass die Situation nicht derjenigen glich, wie sie zum Zeitpunkt des Broadwater Farm-Aufstands in Tottenham im Jahr 1985 vorhanden war. Die Beziehungen zwischen der Gemeinde und der Polizei seien nun ganz anders, sagte er.

Aber Lammy fügte hinzu, dass die Polizei die Situation in Tottenham besser handhaben hätte können. „Es gibt Fragen über die Art und Weise der Eskalation der Gewalt gestern Abend und die Art und Weise des Verhaltens der Polizei, das dazu geführt hat“, sagte er. „Ich bin besorgt darüber, dass das, was ein friedlichen Protest war, sich in den jetzigen Zustand verwandelt hat.“

Jenny Jones, die Kandidatin der Partei der Grünen für das Londoner Bürgermeisteramt und Mitglied der Londoner Polizeibehörde, bestätigte Livingstone in Beziehung auf einen Zusammenhang zwischen den Unruhen und den bevorstehenden Ausgabenkürzungen.

„Die Regierung muss einen Teil der Schuld für das, was schief gelaufen ist letzte Nacht, auf sich nehmen. Kürzungen bei sozialer Hilfe, insbesondere der Jugendhilfe, haben sicher eine Rolle gespielt, die Konflikte zu schüren“, sagte sie.

Mittwoch, 24. August 2011

Tottenham Unruhen: Angehörige des Toten sagen, sie wollten keine Gewalt

2011-08-20-tottenham-16

Mark Duggan, dessen Tod der Zündfunke für die Unruhen war. Foto: Barcroft Media

Sandra Laville, guardian.co.uk, Sonntag, 7. August 2011 19.18 Uhr

Mark Duggan war gerade vier, als vor 26 Jahren die Broadwater Farm-Unruhen auf den Straßen von Tottenham ausbrachen. Während er in dieser Siedlung aufwuchs, begann der Ruf, der seit den 1980er Jahren über dem Gebiet hing, schließlich zu verblassen.

Am Donnerstagabend, als Duggan in einem Minivan auf dem Heimweg war, war sein Tod aus den Händen der bewaffneten Polizei der Spezialist Firearm Unit C019*) der Zündfunke für Unruhen, von denen viele Menschen gehofft hatten, sie würden nie wieder Zeuge von solchen sein müssen.

Widersprüchliche Berichte von der Schießerei sind entstanden, doch die unabhängige Beschwerdestelle der Polizei, die schnell mit der Untersuchung begann, hat bestätigt, dass ein polizeilich nicht registrierte Pistole am Tatort entdeckt wurde und eine Kugel, die im-Radio eines Polizeibeamten steckte. Ballistiktests sind im Gange, um festzustellen, von wo die Kugel abgefeuert wurde.

Was auch in den Stunden bis Samstagabend passiert ist - weder die IPCC noch die Polizei haben anscheinend genug getan, um klar mit der Familie Duggan zu kommunizieren, die sagte, sie habe sich verlassen und isoliert gefühlt, nicht unterstützt und ignoriert trotz des Verlustes eines Vaters, Verlobten, Bruders und Sohn.

Gerüchte haben schnell das Informationsvakuum gefüllt, vor Ort und auf den Social Networking-Seiten - was zu Spekulationen führte, dass Duggan aus dem Minivan gezogen, auf den Boden gedrückt und getötet wurde. Scotland Yard- Quellen sagen, man könne nicht mit irgendwelchen Fakten reagieren, um diese Gerüchte richtig zu stellen, solange die die Untersuchung durch die IPCC im Gang sei – was ein Licht darauf wirft, wie sehr die Mechanismen der beiden Bürokratien versagt haben, weil sie auf die Auswirkungen des umstrittenen polizeilichen Schusswaffengebrauchs nicht effizient und schnell reagierten .

Duggans Verlobte, Semone Wilson, sagte dem Guardian, die Familie habe diese Form von Gewalt nicht gewollt, die sie über das Wochenende erleben musste. Sie wurde von Shaun Hall, Duggans Bruder, unterstützt, der zu Sky News sagte: „Ich kenne Leute da draußen, die sind frustriert und verärgert. Wir würden sagen, versuchen Sie bitte das niederzuhalten ... lassen Sie diesen Bären nicht auf das Leben meines Bruders los. Er war ein guter Mensch.“

Wilson und andere Familienmitglieder waren am Samstagabend mit den Gemeindevertretern um etwa 17 Uhr bei der Polizei in Tottenham erschienen, um eine Mahnwache aufzustellen und Antworten erhalten.
Nur Stunden zuvor hatte sie mit 13 anderen Familienmitgliedern Duggans Leiche identifizieren und ihm die letzte Ehre zu erweisen müssen. Die Verzögerung von mehr als 36 Stunden zwischen seinem Tod und dem Zeitpunkt, wo ihnen erlaubt wurde, ihn zu sehen, wurde von der IPCC nicht erklärt, trotz der Fragen vom Guardian .

„Ich habe meinen Kindern nicht gesagt, dass er tot ist“, sagte Wilson. „Wie kann ich es ihnen sagen, wenn ich nicht weiß, wie er gestorben ist? Wir sind zur Polizeiwache gegangen, um Antworten zu kriegen. Jemand ist herausgekommen, aber sie sagten, sie könnten uns keine Antworten geben, weil ihnen der Fall entzogen wurde.

„Als die Probleme um acht Uhr am Abend begonnen haben, war das, als ich weggegangen bin. Ich erinnere mich an eine große Aufregung.

Wilson hat Duggan kennengelernt, als sie 17 war, und das Paar hat drei Kinder. Ein viertes Kind, eine Tochter, war eine Totgeburt.

Sie hat zugegeben, daß Duggan bei der Polizei bekannt war. „Er ist nie für etwas verurteilt worden“, hat sie gesagt. „Er ist in Untersuchungshaft gewesen. Ich kann mich nicht erinnern weshalb; aber das ist war vor rund neun Jahren gewesen. Ich glaube, wenn er eine Schusswaffe gehabt und die Polizei gesehen hätte, dann wäre er, anstatt zu schießen, weggelaufen. Nachdem er in Untersuchungshaft gewesen war, hat er gesagt, er hasse das Gefängnis und wolle nie wieder dorthin zurück.

Der Polizeieinsatz am Donnerstagabend wurde von der Trident*) inszeniert, der Scotland Yard-Einheit, die Waffenkriminalität unter den Schwarzen verfolgt. Trident- Beamte, die planten, eine Verhaftung vornehmen, wurden von einem Team der C019**) unterstützt, als Folge der Informationen, die vor der Operation gesammelt unterstützt.

Wie er in einem Minivan gefahren wurde, rief Duggan seine Verlobte an und sagte, er sei auf dem Weg nach Hause, und fragte, ob sie das Abendessen kochen würde. Fünfzehn Minuten, bevor er getötet wurde, schrieb er in einem SMS, er werde von den „Feds“ verfolgt. „Was dann geschah, ist Gegenstand der IPCC- Untersuchung. Die ersten Ergebnisse legen nahe, es gab anscheinend einen Schusswechsel, und zwei Schüsse wurden von einem bewaffneten Beamten mit einer Heckler & Koch MP5 abgefeuert.

Stafford Scott, ein Bezirkspolitker, der vor der Polizeiwache war, sagte: „Wir glauben nicht, dass Mark so böse oder verrückt war, aus einem Auto zu steigen und auf bewaffnete Polizisten zu schießen. Unseren Informationen nach ist diese Waffe in einer Socke gefunden worden, was bedeutet, dass sie nicht schussbereit war.“

Die Parallelen zu 1985 und den Broadwater Farm-Unruhen seien offensichtlich, behauptete er.

„In diesem Stadtteil ist für diese Kinder alles das gleiche wie 1985. Wie oft werden sie angehalten und durchsucht – das passiert tatsächlich sehr häufig. Die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen hat sich verringert. Doch nichts an den Existenzgrundlagen der jungen Schwarzen hat sich wirklich verbessert.“

*) http://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Trident_%28Metropolitan_Police%29

**) http://www.met.police.uk/co19/

Dienstag, 23. August 2011

Tottenham in Flammen, als Aufruhr dem Protest folgt

2011-08-20-tottenham-07

Unruhen brechen in Tottenham aus, Polizeiautos, Bus und Läden in Brand gesetzt. Foto: Sky News

Zwei Polizeiautos, ein Bus und mehrere Geschäfte wurden im Norden Londons am Samstagabend angegriffen und in Brand gesteckt, als Gewalt und Plünderungen ausbrachen, als Folge eines Protests, in dem „Gerechtigkeit“ in Zusammenhang mit tödlichen Schüssen der Polizei gefordert wurde.

Polizisten zu Pferde und andere in Kampfausrüstung stießen im Zentrum von Tottenham mit Hunderten von Randalierern zusammen, die mit behelfsmäßigen Wurfgeschossen ausgerüstet waren, nachdem Mark Duggan, 29, Vater von vier Kindern, am Donnerstag getötet worden war.

Am Sonntagmorgen sagte die Polizei, es blieben isolierte Vorfälle im Bezirk Tottenham mit „einer kleinen Zahl von Menschen“, und Beamte seien noch in diese Situationen verwickelt.

Acht Beamte wurden im Krankenhaus behandelt, einer mit Kopfverletzungen, nach dem Ausbruch der Gewalt während der Nacht.

Die Londoner Feuerwehr sagte, alle Feuer seien jetzt „unter Kontrolle“, nachdem sich die Probleme während der Nacht von der Tottenham High Road zum Tottenham Hale Retail Park ausgebreitet hatten und ein Supermarkt in Brand gesteckt worden war.

Am Samstagabend durchbrachen die Randalierer die Polizeilinien und versuchten, Tottenhams Polizeistation zu stürmen, sie bewarfen Polizisten mit Steinen, Flaschen und Eiern.

Als ein Polizeihubschrauber über die Tottenham High Road flog, steckten Jugendliche in Masken und Kapuzen brennbares Material in die zwei ausgebrannten Polizeiwagen, ein DokumentenBündel und eine Markise, die von einem der Läden heruntergerissen worden war. Einige versuchten, die Randalierer zu überreden, sich zu zerstreuen, ein junger Mann schrie: „Geht jetzt nach Hause, Leute!“

Aber andere füllten Flaschen mit Benzin, um sie auf die Polizisten zu werfen. Viele waren mit behelfsmäßigen Waffen wie Metallstangen und Baseballschlägern ausgerüstet und ließen es auf eine Konfrontation mit der aufgestellten Polizei ankommen, aber andere schienen mehr Interesse an Plünderungen zu haben. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde ein Safe aus einem Buchmacherbüro herausgeschleppt, während andere mit einem Fernseher und einer E-Gitarre zu sehen waren. Einige kamen mit Einkaufswagen daher, um das wegzubringen, was sie gestohlen hatten.

„Es war nicht wie vorher“, sagte ein Frau, die in der Nähe der beiden ausgebrannten Polizeiautos stand. „Es hat als friedliche Demonstration begonnen. Die Polizei erschoss hier einen Mann, und sie hat darüber gelogen, was passiert ist. Sie sagten, er habe eine Waffe gezogen, aber er würde das nicht bei bewaffneten Polizisten getan haben. Sie haben ihn so schrecklich zugerichtet, dass seine Mutter ihn nicht erkennen konnte."

Ein Metropolitan Polizeisprecher sagte, der Ärger habe begonnen, als um 20.30 Uhr Wurfgeschosse auf geparkte Streifenwagen geworfen wurden. Er sagte, einer wurde, als er schon brannte, in die Mitte der Tottenham High Road geschoben. Keiner der beiden Beamten, die die Autos gelenkt hatten, wurde verletzt.

Während die Gewalt sich ausbreitete, wurde ein Doppeldecker-Bus abgestellt. Augenzeugen berichteten, das Fahrzeug explodierte in Flammen, nachdem die Angreifer selbstgebastelte Bomben durch die Fenster geworfen hatten. In der Nähe liegende Geschäfte wurden auch in Brand gesetzt.

Die meisten Zuschauer waren Schaulustige, die die Polizisten verhöhnten, als sie ankamen. Es gab Sprechchöre wie: „Wir wollen Antworten“ und: „Wessen Straßen? Unsere Straßen."

Beamte der Territorial Support Group gingen gegen die Randalierer vor und versuchten, die Seitenstraßen zu blockieren. Bereitschaftspolizisten, teilweise mit Hunden, führten die Leute weg.

Polizei auf Pferden wurde auch herangeführt, zusammen mit Verstärkung aus der City of London Police. Ein Polizeihubschrauber schwebte über allem.

Flaschen und Steine hagelten zeitweise auf die Polizei in den Nebenstraßen herab, als Verstärkung eintraf. Randalierer warfen auch Feuerwerkskörper auf die Polizisten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurden vier Feuerwerksraketen auf eine Reihe auf Pferden geschossen, worauf ein Angriff erfolgte, was die Personen, der sich in der Nähe befanden, veranlaßte, in Panik zu flüchten.

Hunderte von Bewohnern versammelten sich, um die Unruhen zu beobachten und es mehrere berichteten über Angriffe auf Passanten. An einer Stelle wurden Randalierer gesehen, die versuchten, einen Mann zu verprügeln, der versucht hatte, Videoaufnahmen von der Szene machen.

Anwohner David Akinsanya, 46, sagte, mehrere Schaufenster seien zerschlagen worden
„Es ist wirklich schlimm“, sagte er. „Zwei Polizeiautos brennen. Ich fühle mich nicht sicher. Es sieht aus, als würde etwas sehr Unangenehmes auf uns zulommen. Ich habe gesehen, wie ein Mann angegriffen wurde. Maria Robinson, eine weitere Bewohnerin, sagte der BBC: „Die Polizei scheint im Moment sehr verängstigt zu sein, die Menschen sind nicht mehr aufzuhalten. Sie sind in verschiedene Geschäfte eingebrochen, in Schmuckgeschäfte, Wettbüros, es ist absolut verrückt. Sie haben einen Mann geschlagen, weil er mit der Feuerwehr geredet hat.“

Versuche der Polizei, eine gewisse Kontrolle zu bekommen, gelangen erst um 23.30 Uhr, als sie eine Stelle der Straße mit den schlimmsten Bränden räumen konnte, sodass zwei Löschfahrzeuge herankommen konnten.

Twitternachrichten schwirrten am Samstagabend hin und her, mit Botschaften der Unterstützung und der Verurteilung.

Ein Polizeiquelle sagte, der verantwortliche Londoner Polizeipräsident, Tim Godwin, sei über die Ereignisse informiert worden.

Met-Polizeichef Stephen Watson sagte, die Situation sei „komplex und dynamisch." Er sagte Sky News, die Errichtung der Gold-Kommandostruktur*) zu Beginn des Abends - eine Reaktion auf große Ereignisse in der öffentlichen Ordnung - war ein Routine-Notfallplan.

Obwohl die Polizei sich der Spannungen in dem Bezirk seit dem Tod von Duggan bewußt war, sagte Watson, sie hätten keine Warnung bekommen, dass ein Unruhen ausbrechen würden.

Die Polizei war nicht in der Lage zu bestätigen, ob die Gewalt aus Empörung über den Tod von Duggan, 29, entstanden sei, der in einer polizeilichen Anti-Waffen-Aktion in Tottenham erschossen worden war.

Die Gewalt brach in der Abenddämmerung aus, nachdem etwa 120 Personen zu Tottenhams Polizeistation marschiert waren, um ihren Zorn über den Tod von Duggan auszudrücken. Die Demonstranten hatten ihren Marsch im Broadwater Farm-Areal begonnen, dem Schauplatz der Unruhen im Jahr 1985, bei denen ein Polizist, Keith Blakelock, durch die Angreifer, die mit Messern und Macheten bewaffnet waren, getötet wurde.

Eine Freundin der Familie von Duggan, die ihren Namen mit Nikki angab, sagte, dass die Freunde und Verwandten des Toten den Protest organisiert hätten, um „Gerechtigkeit für die Familie“ zu verlangen.

„Sie machen mit ihrer Anwesenheit deutlich, dass die Menschen nicht glücklich sind“, sagte sie. „Dieser Mann war nicht gewalttätig. Ja, er war an gewissen Sachen beteiligt, aber er war keine aggressive Person."

Am Samstag kam zutage, dass Duggan bei einem Feuergefecht erschossen wurde, nachdem Polizisten der Trident-Einheit, die mit Waffenkriminalität beschäftigt sind, das Fahrzeug anhielten, in dem er unterwegs war. Ein Polizist sagte, er sei während der Schießerei nicht verletzt worden, weil ein Kugel in seinem Radio stecken blieb.

Bürgermeister Boris Johnson sagte, wenn es ernsthafte Bedenken in der Bevölkerung gebe, sei es richtig, den Fall ordnungsgemäß zu untersuchen, und zwar durch die IPCC. „Die Gewalt gegen Eigentum wird nichts dazu beitragen, die Ermittlungen zu erleichtern“, sagte der Bürgermeister.

David Lammy, der Bezirksabgeordnte, rief am Samstagabend zu Ruhe und Ordnung auf und sagte, die Bevölkerung sei besorgt. Die Independent Police Complaints Commission veröffentlichte eine Erklärung als Versuch, die Wut zu vermindern, in der sie bestätigte, sie stehe in engem Kontakt mit der Familie Duggan und werde am Sonntag ein weiteres Treffen mit ihr haben.

*) http://en.wikipedia.org/wiki/Gold_%E2%80%93_silver_%E2%80%93_bronze_command_structure

Montag, 22. August 2011

Unruhen in Tottenham nach dem Protest gegen Mark Duggans Erschießung

2011-08-20-tottenham-02

Andy Moore vom BCC berichtet von hinter den Polizeilinien, nachdem ein BBC-Satelliten-Lkw unter Beschuss von Jugendlichen geriet


Benedict Moore-Bridger, Rob Parsons and Justin Davenport
Evening Standard, 5. August 2011

Die Polizei war auf den Straßen von Tottenham im Norden Londons, wo bei nächtlichen Unruhen Molotowcocktails auf die Polizisten und Streifenwagen geworfen und Gebäude angezündet wurden.

Acht verletzte Polizisten wurden ins Krankenhaus gebracht, mindestens einer von ihnen mit Kopfverletzungen.

Die Unruhen begannen nach einem Protest gegen die tödlichen Schüsse der Polizei auf den 29-jährigen Mark Duggan am Donnerstag.

Über 300 Menschen versammelten sich vor dem Polizeikommissariat auf der High Road, nachdem die Demonstranten „Gerechtigkeit“ gefordert hatten.

Das London Ambulance Service sagte, insgesamt zehn Perssonen seien behandelt worden und neun mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Zwei leere Streifenwagen wurden um etwa 20.20 Uhr angezündet.

Kommandant Stephen Watson: „Wir hatten keine Hinweise auf das Ausmaß der Unordnung, der wir uns jetzt stellen müssen.“

Geschäfte in der Gegend wurden von Leuten geplündert, die man dabei beobachten konnten, wie sie Einkaufswagen voller Waren vor sich herschoben. Ein Ortsansässiger sagte der BBC, dass am Sonntag Plünderungen über den Morgen hinaus fortgesetzt wurden.

Ein Doppeldeckerbus wurde an der Kreuzung High Road und Brook Street in Brand gesetzt, während ein Geschäft auf der High Road auch angezündet wurde.

Feuerwehrleute konnten zunächst wegen der Krawalle nicht in den Laden. Doch später begannen sie, die Flamme zu bekämpfen.

Ein BBC-TV-Nachrichtenteam und ein Satelliten-Lkw kam auch unter Beschuss von Jugendlichen mit Wurfgeschossen.

Die Jugendlichen hatten begonnen, einen anderen Streifenwagen anzugreifen, bevor das TV-Team zum Ziel wurde, und dieses wurde im Interesse der eigenen Sicherheit zurückgezogen. Das Polizeiauto wurde später in Brand gesetzt.

Der BBC-Reporter Andy Moore sagte, daß die Randalierer offenbar am Sonntagmorgen abzogen und die Polizei versuchte, die Ruhe wieder herzustellen.

Unser Korrespondent sagte, dass seit den Unruhen im Jahr 1985 die Beziehungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei in der Regel gut waren, aber die Schießerei letzte Woche habe die Spannung verstärkt.

Er sagte, bestimmte Personen wollten sofortige Antworten bekommen, doch die Untersuchung über Herrn Duggans Tod würde länger dauern.

„Ruhe und Normalität“


Kommandant Stephen Watson von der Metropolitan Police hatte vorher gegenüber den BBC News erklärt, eine beträchtliche Anzahl von Polizisten sei eingesetzt worden mit dem Ziel der Wiederherstellung von „Ruhe und Normalität in diesem Gebiet so schnell wie möglich".

Die Polizei würde es weiterhin mit „isolierten Nestern der Kriminalität“ aus ein paar Leuten zu tun haben, sagte er in einer Erklärung.

Herr Watson teilte mit, die Polizei habe keinerlei Warnungen über das Niveau der Unruhen in der letzten Nacht gehabt, trotz Kenntnis von Spannungen nach Herrn Duggans Tod.

„Was wir zuerst am den gestrigen Abend erlebt haben, war eine friedliche Demonstration vor Tottenhams Polizeiwache - es gab keinen Hinweis darauf, daß sich die Situation auf diese Weise verschlechtern würde. Für diejenigen, die sich an diesem Ausmaß an Gewalt beteiligt sind, gibt es keine Entschuldigung.“

Tottenhams Abgeordneter David Lammy bat am Samstag um Ruhe und sagte: „Die Szenen, die sich derzeit in unserem Bezirk ereignet haben, sind nicht repräsentativ für die überwiegende Mehrheit der Menschen in Tottenham."

„Diejenigen, die sich an die zerstörerischen Konflikte der Vergangenheit erinnern, werden bestimmt nicht dorthin zurückkehren wollen."

„Wir haben bereits eine trauernde Familie in unserer Gemeinde und weitere Gewalt wird deren Schmerzen nicht lindern."

„Wahre Gerechtigkeit kann nur entstehen, wenn eine gründliche Untersuchung der Ereignisse erfolgt."

„Die Tottenham-Gemeinde und Mark Duggans Familie und Freunde müssen verstehen, was am Donnerstagabend passiert ist, als Mark sein Leben verlor. Um diesen Sachverhalt zu begreifen, müssen wir Ruhe bewahren.“

Die Demonstranten hatten sich vor der Polizeistation um etwa 17:00 Uhr versammelt.

Die Polizei sagte, die Situation wurde gewalttätig, als zwei Streifenwagen ca. 200 Meter weiter weg auf Forster Street parkten und die High Road angegriffen wurde.

Der Sprecher sagte: „Eine Menge Flaschen wurden auf diese beiden Autos geschleudert – eines wurde in Brand gesteckt und das zweite wurde in die Mitte der High Road geschoben. Auch dieses wurde anschließend angezündet."

„Die Polizisten waren nicht in den Fahrzeugen und blieben unverletzt.“

Eine Freundin von Herrn Duggan, die ihren Namen mit Niki, 53, angab, sagte, die Demonstranten wünschten „Gerechtigkeit für die Familie“ und daß „etwas getan werden sollte“.

Sie sagte, daß sich einige von ihnen auf die Straße legten, um ihr Verlangen zu verdeutlichen. „Sie verdeutlichten so ihre Anwesenheit, weil die Menschen nicht glücklich sind“, fügte sie hinzu.

„Dieser Mann war nicht gewalttätig. Ja, er war in gewisse Sachen verwickelt, aber er war kein aggressiver Mensch. Er hatte noch nie jemanden verletzt.“

Vanessa Robinson sagte, sie habe sich der ursprünglichen Demonstration vor der Polizeiwache angeschlossen, die habe friedlich begonnen.

Sie sagte, dann habe sich die Situation in ein „absolutes Chaos“ verwandelt.

Eine Person am Tatort, die seinen Namen mit Tim angab, sagte: „Es ist ein absolutes Kriegsgebiet. Ich war soeben dort."

„Ich habe etwa fünf Jugendliche gesehen, alle Gesichter verhüllt. Sie haben eine Mülltonne in Brand gesteckt und sie in Richtung Polizei geworfen."

Gehärtetes Glas

„Die gesamte Polizeistation war von etwa 100 Polizisten in Kampfausrüstung umgeben, und sie warfen eine Mülltonne hinein und begannen dann Steine und Straßenschilder zu werfen, all das, was sie in ihrer unmittelbaren Nähe finden konnten,.“

Ein anderer Bewohner, David Akinsanya, 46, sagte, es seien mehrere Schaufenster zerschlagen worden.

Amateuraufnahmen zeigen Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten in der Nähe der Polizeistation in Tottenham.

Er sagte: „Etwa 15 Bereitschaftspolizisten bildeten eine Reihe vor der Polizeistation auf der Nordseite, und dann gab es jede Menge uniformierter Polizisten auf der Südseite der Polizeistation."

„Sie machten keinerlei Versuche, die Menge zu zerstreuen. Ab und zu gingen sie auf die Menge zu, und die Menge begann zu laufen."

„Aber es scheint, daß sich heute Abend eine große Wut in Tottenham angesammelt hat. Als ich wegging, haben sie begonnen, die Polizeistation anzugreifen.“

Die Independent Police Complaints Commission untersucht die Umstände des Todes von Herrn Duggan.

Ein Polizist wurde verletzt, als der Minivan mit Herrn Duggan angehalten wurde.

IPCC-Kommissärin Rachel Cerfontyne sagte: „Ich verstehe die Not, die der Tod von Mark Duggan seiner Familie und der Gemeinde verursacht hat. Die Menschen brauchen Antworten darüber, was mit ihm passiert ist.“

Sie sagte, die IPCC stehe in engem Kontakt mit Herrn Duggans Familie und fügte hinzu: „Ich habe heute Abend mit Bezirksvertretern gesprochen und hoffe, sie und auch andere so bald wie möglich treffen zu können.“

Ein Sprecher des Londoner Bürgermeisters Boris Johnson sagte: „Gewalt und Zerstörung von Eigentum wird nichts dazu beitragen, die [IPCC-] Untersuchung zu erleichtern, und wir fordern die Beteiligten auf, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.“

Sonntag, 21. August 2011

Vater stirbt und Polizist bei einer „erschreckenden“ Schießerei verletzt

2011-08-20-tottenham-01


Tragödie: Mark Duggan und Simone Wilson am Grab ihrer Tochter am Enfield-Friedhof

Benedict Moore-Bridger, Rob Parsons and Justin Davenport
Evening Standard, 5. August 2011

Ein vierfacher Vater wurde erschossen, nachdem er letzte Nacht bei einem Schußwechsel auf einer Straße im Norden Londons einen Polizisten verletzt hatte.

Der Mann wurde von bewaffneten Polizisten nach einem polizeilichen Überwachungseinsatz in Tottenham Hale getötet.

Heute rief der dortige Parlamentsabgeordnete David Lammy zur Ruhe in der Gemeinde aus Angst vor einer Gegenreaktion dort Wohnenden auf.

Beamte der Operation Trident*), die sich mit der Waffenkriminalität in der schwarzen Gemeinschaft beschäftigen, hatten versucht, den Mann zu verhaften, während er in einem Minivan unterwegs war.

Eine Pistole wurde am Tatort gefunden, und ein Sprecher der polizeiunabhängigen Kontrollbehörde sagte, es erscheine so, als wäre der Beamte zuerst angeschossen worden, bevor die Polizei das Feuer erwiderte.

Allerdings behauptete ein Augenzeuge, der Verdächtige sei getötet worden, als er auf dem Boden in der Ferry Lane lag.

Der Tote, als Mark Duggan, 29, bezeichnet, hatte es anscheinend zweimal abgelehnt stehenzubleiben, nachdem ihm das von Beamten, die ihm in der Nähe der Tottenham Hale Station gefolgt waren, befohlen worden war.

Er und ein Freund waren gestern um etwa 18 Uhr in einem Minivan auf der Ferry Lane unterwegs, als sie von der Polizei umstellt wurden. Quellen sagten, das Opfer sei ein „bekannter Gangster“, der unter Beobachtung von Polizisten stand, die Waffenkriminalität in einer geplanten Aktion verfolgten.

Allerdings gibt es widersprüchliche Berichte über die Schießerei. Ein Bericht sagte, der Schütze habe auf einen Polizisten zuerst gefeuert, dessen Leben gerettet wurde, weil die Kugel sein Funkgerät traf. Der Polizist kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus und wurde letzte Nacht entlassen

Allerdings sagte eine 20-jährige Zeugin, die in der Nähe arbeitet, aber nicht namentlich genannt werden wollte: „Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause, als ich sah, was vor meinen Augen passierte.“

„Ich kam um die Ecke und sah etwa sechs Polizeiautos ohne Kennzeichnung als solche, die einen Minivan in der Nähe einer Bushaltestelle zum Stehenbleiben zwangen."

„Ich hörte die Polizei so etwas wie „Keine Bewegung!“ rufen, und ich sah, wie sie den Fahrer aus dem Auto zogen. Ich weiß nicht, ob sie auch den anderen, der auf dem Beifahrersitz saß, herauszerrten. Er war derjenige, der erschossen wurde - der Fahrgast.“

„Drei oder vier Polizisten hielten beide Männer auf dem Boden mit vorgehaltener Waffe fest. Es waren wirklich große Knarren, und dann hörte ich vier laute Schüsse. Die Polizei erschoss ihn auf dem Boden.“

Die Freundin des Toten, Simone Wilson, 29, sagte, sie sei „geschockt“ zu erfahren, daß ihr Freund, den sie seit 13 Jahren kannte, eine Pistole bei sich trug.

Aber sie sagte auch, Herr Duggan, der auch als Starrish Mark bekannt war, sei zunehmend paranoid geworden, nachdem sein Cousin Kelvin Easton, ein Rapper, bekannt als Smegz, im März in einem Nachtclub erstochen wurde.

Sie sagte dem "Standard": „Vielleicht brauchte er sie zu seinem Schutz, weil er beunruhigt war. Es ist ein solcher Schock. Sie haben gesagt, er hat als erster auf die Polizei geschossen, aber ich kann das einfach nicht glauben...“

Seine Schwester, Kay, 38, sagte: „Sie haben gesagt, er hat auf die Polizisten geschossen, aber ich kann das nicht verstehen, er hat seine Kinder gehabt, sein Leben - ich würde ihn umgebracht haben, wenn er so etwas getan hätte. Jeder ist völlig am Boden zerstört.“

Frau Wilson hat zwei Söhne im Alter von zehn und sieben Jahren und eine Tochter mit Herrn Duggan. Eine weitere Tochter, Kyla Caprice, war vor zwei Jahren eine Totgeburt. Er hatte noch eine andere Tochter mit einer anderen Frau.

Frau Wilson hat die Nachricht ihren Kindern noch nicht beigebracht. Sie sagte: „Ich weiß nicht, wie ich es ihnen sagen soll, es ist einfach so furchtbar.“

Scotland Yard erklärte, man habe die Untersuchung zu der Schießerei der Unabhängigen Beschwerdekommission der Polizei (IPCC) übergeben.

Tottenhams Abgeordneter David Lammy sagte: „Ich bin natürlich schockiert und zutiefst beunruhigt. [Die IPCC] muß die Fakten klären und diese Fakten schnell kommunizieren.“

Die IPCC sagte, die Operation Trident-Detektive, unterstützt von Schusswaffenspezialisten, hätten den Minivan zur Durchführung einer Festnahme gestoppt.

Diese Aktion war im Voraus geplant, und zwei Schüsse wurden von einem mit einem Hecker & Koch MP5-Karabiner bewaffneten Schützen abgefeuert.

Ein IPCC- Sprecher sagte, eine „nicht polizeilich registrierte“ Handfeuerwaffe sei auch am Tatort gefunden worden.

Er sagte, die genaue Abfolge der Ereignisse müsse erst noch ermittelt werden. Doch vorher hatte ein Sprecher gesagt, der Verdächtige habe zuerst geschossen.

Der verletzte Polizist war ein Mitglied der CO19-Spezial-Schusswaffeneinheit**). Er wurde vorsichtshalber ins Krankenhaus gebracht, dann aber entlassen.

Die IPCC sagte, man sei dabei, mit der Familie des Mannes Kontakt aufzunehmen, um seine Rolle während der Aktion zu erklären und man sei ebenso im Gespräch mit dem örtlichen Abgeordneten David Lammy.

IPCC-Kommissärin Rachel Cerfontyne sagte: „Tödliche Schüsse durch die Polizei sind äußerst selten und erhöhen verständlicherweise signifikant die Beunruhigung der Gemeinde."

„Die IPCC wird bei solchen Schießereien immer ermitteln, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit darauf vertrauen kann, daß sie völlig unabhängig ist. Ich werde sicherstellen, dass diese Untersuchung gründlich ist und die vielen Fragen beantwortet, die jeder hat, wenn ein solches Ereignis eintritt.“

„Es ist mir völlig klar, wie belastend und verstörend das für die Familie und die Gemeinde sein muß.“

„Zeugen des Vorfalls können entscheidend zu unserer Beweissammlung beitragen. Daher würde ich jeden, der den Vorfall sah, dringend bitten, uns zu kontaktieren.“

Für jeden, der Informationen hat: Tel. 0800-096-9079 oder E-Mail ferrylaneshooting@ipcc.gov.uk.

*) http://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Trident_%28Metropolitan_Police%29

**) http://en.wikipedia.org/wiki/Specialist_Firearms_Command

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