Londoner Unruhen: die dritte Nacht – Montag, 8. August 2011 (Fortsetzung 09)
13.26: Ein Twitter-Nutzer unter dem Pseudonym InspectorWinter, der sich selbst als einen „Vollzugsbeamten" Mitte 30 beschreibt, hat einen detaillierten Blogeintrag über seinen Einsatz bei den Unruhen in Nord-London letzte Nacht geschrieben. Oft ist es schwer, diese anonymen Accounts zu überprüfen. Doch dieser User hat einen Feed mit Tausenden von Einträgen über Monate angelegt und erscheint wichtig.
In einem langen und nachdenklichen Beitrag schreibt er über den Versuch, einen Ladenbesitzer, dessen Lebensunterhalt in Flammen aufgegangen ist, zu trösten:
„Ich weiß einfach nicht, was ich ihm sagen soll... es ist wirklich herzzerreißend. Ich tu etwas, ich tue eine Menge die nächsten paar Stunden und ich sagte ihm, es tut mir leid und dann gebe ich ihm eine männliche Umarmung mit einem Klaps auf den Rücken. Helm wieder auf, und wir sind irgendwo anders.“
Er fährt fort, über seine Frustration darüber zu schreiben, daß man nicht in der Lage ist, diese Gesetzlosigkeit zu verhindern:
„Ich habe noch nie Plünderungen in dieser Größenordnung erlebt, eine Plünderung von Geschäften von Großhandelsketten findet statt, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können, Ein paar Hardcore-Mitglieder meines Teams wollen „durchgreifen und dem Ganzen ein Ende machen“. Wir sind in der Minderzahl, wir werden durch die Schutzausrüstung behindert. Wenn wir in einer solchen Situation einen Fehler machen, schaden wir mehr, als wir nützen.“
Und er betont, dass die meisten Polizisten die Frustrationen der Bewohner über die Schüsse in Tottenham am Donnerstag verstehen.
"Das traditionelle, stereotype Bild eines für die öffentlichen Ordnung verantwortlichen Polizisten ist das eines Muskelbergs, dessen wichtigste Fähigkeit im Leben es ist, in der Lage zu sein, eine Tür mit einem Tritt einzutreten. Als ich die Leute um mich herum fragte, keiner von denen kann das. Sie sind alle recht intelligent. Im Van gab es lange Diskussionen darüber, was die Ursache von all dem gewesen sein könnte. Wir können den Zorn der Leute über die Erschießung von Mark Duggan durch die bewaffnete Polizei verstehen, wir wissen, dass sie Antworten wollen. Aber wir wissen auch, dass manchmal der investigative Prozess quälend langsam ist, das Warten auf die Forensik kann eine Weile dauern, der mühsamen Prozess, Zeugen zu finden und dann Aussagen zu bekommmen, das Aufspüren mittels der Videoaufnahmen und Kopien davon zu machen, dann sich das Ganze nochmals anzusehen. All diese Dinge sind schwierig genug für uns, geschweige denn für die Unabhängige Untersuchungskommission, und ich habe sehr wenig Ahnung von der Größe ihrer Ermittlungsgruppen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die sehr groß sind.“
13.58: Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson, der für seine Abwesenheit (er ist im Urlaub) kritisiert wurde, hat eine Erklärung abgegeben. Er sagte, die Szenen von Gewalt und Zerstörung seien „total erschreckend".
„Die Menschen haben ihre Häuser, Geschäfte und den Lebensunterhalt durch sinnlose Gewalt verloren. Ich verstehe die Notwendigkeit dringender Antworten in Bezug auf die Schüsse, die zum Tod eines jungen Menschen vor Ort geführt haben, und man hat mir zugesichert, dass die IPCC für eine Beruhigung sorgen wird. Aber lassen Sie mich das klar sagen - diese kriminellen Gewalttaten in London haben nichts mit diesem Vorfall zu tun und müssen sofort aufhören.“
14.04: Die Vizeinnenministerin, Yvette Cooper, hat sich auch geäußert. Sie sagte, dass „ein sofortiges Eingreifen der Regierung notwendig ist, und zwar durch den Londoner Bürgermeister, die Met, die Stadträte und die Bezirke", um die Unruhe zu stoppen. Und sie kündigte indirekt an, dass Labour den Druck über die Verbindung zwischen den Ausschreitungen und den Einsparungen im öffentlichen Sektor aufrecht erhalten wird:
„Wir brauchen auch eine klare Strategie der Regierung und des Bürgermeisters, um zu verhindern, dass diese Unruhen sich im August und September fortsetzen. Das bedeutet, dass man schnellstens auf die Kapazität der Polizei und die Präventionsprogramme achten muß, die beide erhebliche Ursachen des Drucks im Augenblick sind."
14.21: Paul Lewis ist wieder da zum Thema, welche Rolle der Blackberry-Messenger bei all dem spielt:
„Es besteht kein Zweifel, dass der BBM - Blackberry-Messenger – verwendet wird, um die Unruhen zu organisieren. Es bestätigen mehrere Quellen, dass diese BBM-Nachrichten, die Leute in Enfield zu Plünderungen anfeuerten – bereits am Sonntag um 14 Uhr verbreitet wurden. Und das scheint die wichtigste Nachricht, die verbreitet wurde, zu sein, obwohl es Variationen gibt:
„An jeden in Edmonton Enfield Woodgreen überall im Norden - kommt zur Enfield Town Station, genau um 4 Uhr!! Geht von euren Höfen weg und trefft euch mit den Niggers. Scheißt auf die Bullen, bringt jede Menge Schläger mit, Trollys, Autos, Lkws, Hämmer! Schickt das herum für die Nackten, sorgt dafür, dass das keine Spitzel kriegen! Egal, was auch immer passiert, bleibt in Verbindung und macht Druck – krallt euch alles. Die Polizei kann es nicht stoppen. Aber löscht die Brände! Wiederholt das !!!!!"
Paulus fügt hinzu:
"Wir müssen darauf achten, die Flammen in einer solchen Situation nicht noch weiter anzufachen, und ich sträube mich dagegen, die (vielen) BBM-Nachrichten, die mit Anweisungen für heute Abend im Umlauf sind, weiterzugeben. Sie sind alle schwer zu verifizieren, aber generell gibt es Pläne, sich in mindestens sechs Bezirken im Norden von London zu sammeln. Sie können andere BBM-Nachrichten über die heutigen Aktionen vertrauensvoll schicken an: paul.lewis@guardian.co.uk.
14.26: Craig, ein ehemaliger HMV-Manager, hat per E-Mail mitgeteilt, wie frustriert und wütend er über das ist, was mit den Musik-Shops in Wood Green und Enfield passiert ist:
„Ich war 10 Jahre Manager bei HMV und habe noch viele Freunde dort, wie auch meine Freundin. Die Dinge sind jetzt extrem hart für HMV – die Mitarbeiter hatten zwei Jahre hintereinander keine Lohnerhöhung, bekamen selten einen Verkaufsbonus, und alles ist generell schwierig für sie. Letzte Nacht sind Plünderer nicht nur ins Geschäft eingedrungen und haben sich aus dem Verkaufslager bedient, sondern sie haben auch die Schließfächer des Personals aufgebrochen und dessen Besitz gestohlen. Wie können solche Aktionen auch nur im entferntesten gerechtfertigt werden?“