Plünderungen "von sozialer Ausgrenzung geschürt"

2011-08-20-tottenham-56

Junge Plünderer aus armen Vierteln haben nichts zu verlieren und keinen Grund, sozialen Normen zu gehorchen, sagen Experten.

Alexandra Topping, guardian.co.uk, Montag, 8. August 2011 19.58

Auf die Unruhen folgten die Plünderungen. Quer durch London wurden Schaufenster zerschlagen und Läden geleert. Am Montag sagten Experten, soziale Ausgrenzung und der Zusammenbruch von Recht und Ordnung könnten die Plünderer angespornt haben, die sozialen Normen missachten. „Viele der Beteiligten sind wahrscheinlich aus einkommensschwachen Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit gekommen; und viele, wenn nicht die meisten, haben nicht viel von ihrer Zukunft zu erwarten", sagte der Kriminologe und Jugendkultur-Experte Professor John Pitts.

„Die Regeln, die das Verhalten von Menschen gewöhnlich bestimmen, gelten dort nicht. Vieles davon geschah, weil die Gelegenheit dazu da war. Aber zentral ist es eine soziale Frage, die junge Menschen betrifft, die nichts zu verlieren haben.“

Auf einen Großteil der Aufnahmen von den weit verbreiteten Diebstählen nach den Unruhen, kann man Plünderer mit Waren sehen, die sie unbedingt haben wollten, manche ohne sich die Mühe zu machen, ihr Gesicht zu bedecken. Auf einem Video vom frühen Sonntagmorgen aus Wood Green kann man Leute sehen, wie sie H & M mit ihrer Beute verlassen, während einige bei JD Sports herumstehen und offenbar darauf warten, sich ebenfalls bedienen zu können.

Ein in Nord-London Ansässiger, der nur Tiel genannt werden wollte, beschrieb ein Gespräch: „Ich hörte zwei Mädchen darüber zu streiten, welches Geschäft das nächste auf der Diebstahltour sein sollte. ‚Gehen wir zu Boots? '. ‚Nein, ins Body Shop‘. ‚Zerschlagt Body Shop, nachdem es tot ist [gemeint ist leer].'“ Das Mädchen kam aus Boots raus, „ganz lässig, als hätte sie ihren Job wie immer um halb fünf beendet", fügte er hinzu. Er beschrieb andere, die vor den zerbrochenen Fensterscheiben von H & M vor einander Kleidungsstücke hochhielten. „Sie taten, als seien sie einfach nur gelangweilt von dem, was sie getan haben."

In Wood Green waren für etwa 100 Jugendliche Geschäfte wie Elektronikshops und Kleidungsketten wie H & M die Ziele. „Ich habe jede Menge G-Star", sagte ein Teenager, der aus einem Kleidergeschäft kam. Andere Jugendliche wurden mit Koffern voller Diebesgut beobachtet, und in den frühen Morgenstunden des Sonntags wurden die Vorgärten der Reihenhäuser Schauplatz von Warenbegutachtung und –austausch.

Zu sehen war auch, wie Plünderer versuchten, ihre gestohlenen Waren zu verkaufen. In Tottenham direkt auf der Hauptstraße, sagte ein 20-Jähriger, der seinen Namen nicht nennen wollte, habe er gehört, wie Plünderer versuchten, die Beute in ihren Händen so schnell wie möglich loszuwerden. "Ich sah, wie einige an den Ecken versuchten, Laptops von Currys für 20 Pfund zu verkaufen. Was denken Sie über so etwas?“ , sagte er.

Plünderer habenWege gefunden, ihre Handlungen zu rechtfertigen, fügte Pitts hinzu. „Sie glauben, sie können das schönreden, indem sie sich Filialen von großen Konzernen aussuchen. Es ist das Gefühl, dass diese Unternehmen viel Geld zu haben, während sie nur sehr wenig haben." In Kombination von der sehr zurückhaltenden Reaktion der Polizei und der zunehmender Gesetzlosigkeit wurde das Ganze explosiv: "[Die Plünderer] bemerken schnell, dass die Polizei keine Kontrolle über die Situation hat, die zu einer Art adrenalingesteuerten Euphorie führt - plötzlich übernimmst du die Kontrolle, und dagegen kann niemand etwas machen."

Eine Generation, die auf Diät inmitten von übermäßigem Konsum heranwuchs und mit Werbung bombardiert wird, habe sich befreit, setzte er hinzu. „Nachdem wir von dem, was wir taten, definiert wurden, werden wir jetzt von dem, was wir kaufen, definiert. Diese großen Firmen leben davon, [die Verbraucher] in Versuchung zu bringen. Und plötzlich bemerken dann diese Leute, daß sie nur in ein Geschäft zu gehen brauchen und alles haben können. "

Ein Augenzeuge, der nicht genannt werden wollte, sagte, ein Polizist, der auf der Brixton Road am Montagmorgen patrouillierte, habe ihm gesagt, er habe 12-Jährige beim Plündern gesehen.

Dr. Paul Bagguley, Soziologe an der University of Leeds, sagte, Plündern sei ein gemeinsames Merkmal der meisten Ausschreitungen gewesen, doch eine Mischung aus praktischen Gründen könnte sie gesteigert haben. Steigende Arbeitslosigkeit sei wichtig, nicht nur als Auslöser der Unruhen, sondern weil das auch bedeute, daß mehr Arbeitslose auf den Straßen seien, was zur „biographischen Verfügbarkeit" führt. „Das ist ein einfaches Argument, aber mächtig. Ohne Arbeitsplätze werden die Leute eher auf den Straßen herumhängen. Ebenso gibt es jetzt einfach mehr begehenswerte, transportierbare Konsumgüter, die man stehlen kann, als je zuvor."

Plündern wurde als weniger riskant als Krawallmachen betrachet: „Plündern tendiert dazu, ein breiteres Spektrum von Menschen anzuziehen - Kinder, Frauen, ältere Menschen -, weil es dabei sich nicht so sehr um körperliche Gewalt geht. Krawalle ermöglicht den Menschen, ihre Hemmungen zu verlieren, und gibt ihnen die Freiheit, etwas zu tun, was sie normalerweise nicht tun würden“.

Areeb Ullah, ein Bewohner von Tottenham, sagte, die Plünderer hätten keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bezirks und der einheimischen Bevölkerung genommen. Und während große Geschäfte zum Ziel gemacht wurden, blieben auch einige kleinere nicht vom Plündern verschont. „Die Shops hier in der Gegend konnten dem kaum entkommen. Ein Blumenladen wurde angezündet. Wem hat der Blumenhändler etwas getan? Ich sah einen Mann in seinem Geschäft nur weinen. Das macht die Situation in Tottenham noch schlimmer."

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